KURZE WEGE

Regionale Lebensmittel sind heute eine Form von Luxus. Dabei war das vor gerade mal einer Generation die Normalität. Für mich bedeutet „regional“: meine kulinarische Heimat. Es geht dabei immer um die Freude am Genuss. Die besten Eier kommen tatsächlich vom Bauern aus dem Nachbardorf, das beste Gemüse aus meinem eigenen Garten. Der beste Honig und die besten Früchte stammen aus den benachbarten Obstgärten. Der türkische Metzger bietet das beste Lamm aus dem nahe gelegenen Hunsrück. Aber warum kommt das beste Brot vom Bäcker aus dem Dorf? Vielleicht liegt es daran, dass er sein Mehl bei der Mühle im nächsten Ort bezieht? Und vielleicht auch daran, dass die Mühle ihr Getreide schon immer bei Bauern aus der Region kauft? Es liegt eigentlich auf der Hand: Es genügt mir, dem besten Produkt zu folgen! Qualität hat ihren Ursprung immer in sorgfältiger, handwerklicher Produktion. Und meistens verketten sich diese Herkünfte. Der gute Metzger nutzt die Qualität verantwortungsvoller Tierhaltung, so wie der gute Bäcker auch vernünftige Eier verwendet. Der umweltschonende Anbau und der geringe CO2-Abdruck sind schöne Nebeneffekte meiner Vorfreude auf diese Lebensmittel. Das hat nichts mit „Solidarität“ mit kleinen Familienbetrieben zu tun, denn diese Produzenten sind „alternativlos“. In dieser Qualität kann ein größerer Hersteller einfach nicht liefern. Diese Dinge sind in der Stadt viel schwerer zu finden, könnte man einwenden. Ich bin mir da aber nicht so sicher. Immer wieder überraschen mich Freunde in der Stadt mit Lebensmitteln, die ich so bei uns nicht finden kann. Vielleicht, weil ein größerer Markt auch zu einem größeren Angebot und zu einer größeren Vielfalt führt. Hier in der Provinz finde ich zum Beispiel praktisch keine guten Fische oder tollen Käse. Das macht aber nichts. Zum einen kann man Käse prima verschicken. Zum anderen brauche ich ja nicht alle kulinarischen Optionen an einem Ort gleichzeitig. Meine Heimat hat nämlich, wie jede andere Region, viel zu bieten. (Text © by Dr. Martin Tesch | Foto © by Dr. Martin Tesch)